SPD-Ortsverein Weissacher Tal blickt auf sein 50-jähriges Bestehen zurück

von Jürgen Hestler

WEISSACH IM TAL. Rund 70 Mitglieder zählt der Ortsverein heute und damit deutlich mehr als bei seiner Gründung. Bei der denkwürdigen Sitzung bekam, wie Erich Bauer später berichtete, fast jeder der Anwesenden im Sportheim in Allmersbach im Tal ein Amt – und es wurden genau fünf Posten vergeben. Zum Vorsitzenden wählte die kleine Schar Walter Nierobisch aus Bruch, Geschäftsführer des damaligen Coop-Marktes in der Weissacher Straße in Backnang. Einzugsgebiet des neuen Ortsvereins sollten die Gemeinden des Weissacher Tals sein: Allmersbach im Tal, Auenwald und Weissach im Tal. So war dies auch mit dem Ortsverein Backnang vereinbart, dessen Vorsitzender Christian Tessars zuständigkeitshalber zu dem Treffen eingeladen hatte. Als Gast war der damalige Landtagsabgeordnete und Kreisvorsitzende Giselher Gruber zugegen, er hielt die Festrede.

Schon in den Jahren davor hatte es Anläufe gegeben, im Täle einen Ortsverein zu gründen – ohne Erfolg: Der Unterweissacher Feuerwehrkommandant Arnold Stein, der viele Jahre lang dem Gemeinderat und dem Kreistag angehörte, blieb allein auf weiter Flur. Nur mit Mühe war es dem Vorsitzenden der SPD-Kreistagsfraktion Wilhelm Traub gelungen, im Wahlkreis Weissacher Tal eine Liste für die Kreistagswahl 1971 hinzubekommen. Mit ihm zusammen gingen die Kandidaten dann auf Wahlkampftour und zogen von einer verrauchten Wirtschaft zur nächsten. Das Ziel, ein zweites Mandat zu erringen, verfehlten die Aufrechten zwar. Aber der gemeinschaftliche Einsatz hatte sie zusammengeschweißt und den Grundstock dafür gelegt, eine kontinuierliche politische Arbeit im Weissacher Tal anzustreben.

Die erste Bewährungsprobe sollte nicht lange auf sich warten lassen

Bereits im Frühjahr 1972 stand die Landtagswahl an, und es galt, erneut für Giselher Gruber zu streiten, was auch – nicht zuletzt dank der Popularität des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt – großen Erfolg zeigte. „Wir sind Willy-Brandt-geprägt“, bekennen heute auch die späteren Ortsvereinsvorsitzenden Rüdiger Frey (74), Klaus A. Werner (72) und Jürgen Hestler (72), als sie gemeinsam durch ihre Erinnerungen streifen. Rüdiger Frey wurde im November 1974 zum Vorsitzenden gewählt, nachdem er gerade 14 Tage davor der Partei beigetreten war. Damals gingen im Ortsverein die Wogen hoch: Man diskutierte über die Auflösung und die Rückkehr in den Ortsverein Backnang. 16 von 39 Mitgliedern waren bei der entscheidenden Sitzung anwesend, fünf votierten für Backnang, acht für die Beibehaltung, drei Stimmen waren ungültig.

Bald darauf startete Frey eine neue Initiative: Zur Gemeinderatswahl 1975 gründete er die Weissacher Bürgerliste als Konkurrenz zur bisher einzigen Liste in Weissach, der UBL. Sie holte immerhin zwei der 18 Sitze. Ende 1977 trat Frey, der als Hauptamtsleiter im Weissacher Rathaus tätig war und später Geschäftsführer des Bildungszentrums wurde, aus beruflichen Gründen vom Ortsvereinsvorsitz zurück. Während seiner Amtszeit hatte die SPD aber stark zugelegt: Die Mitgliederzahl stieg von anfangs 34 auf 69. Dazu beigetragen hatte nicht zuletzt das Bildungszentrum, das damals in Betrieb ging. Viele junge Lehrkräfte, die das neue pädagogische Konzept der Gesamtschule vertraten, kamen ans Bize. Viele ließen sich im Weissacher Tal nieder und viele sahen in der SPD ihre politische Heimat.

 Einmal ergab es sich, dass alle Fraktionsmitglieder Frauen waren

Auf Frey folgten als Ortsvereinsvorsitzende Arne Wunderlin und danach Elfriede Arndt. Der Weissacher Bürgerliste gelang es bei den folgenden Wahlen, ihre Position im Gemeinderat auszubauen, zumal die grüne Bewegung dazugekommen war. Doch dann kam in der Fraktion Unruhe auf – die SPD-Mitglieder sahen ihren Einfluss schwinden. Letzte Konsequenz: Sie traten aus der Liste aus und bildeten fortan eine eigene Fraktion, nun unter dem Namen der SPD. Diese holte bei späteren Wahlen zwischen drei und fünf Mandate. Einmal ergab es sich sogar, dass alle Fraktionsmitglieder Frauen waren: Irmgard Hestler, Brigitte Schack und Traudel Heinkel.

Ab 1986 war dann Klaus A. Werner Ortsvereinsvorsitzender. Dann begannen sich die inhaltlichen Akzente zu verschieben. Standen im Ortsverein früher die großen weltpolitischen Themen im Vordergrund, so sollte es nun verstärkt ums Lokale gehen – beispielsweise um die drohende Mülldeponie bei Bruch. Zudem organisierte Werner Ausfahrten unter dem Stichwort Europa, unter anderem ins Elsass. Angesichts seiner vielen weiteren Funktionen gab Werner den Vorsitz 1990 an Jürgen Hestler ab. Dieser hatte mit dem Roten Stuhl (siehe Info) bereits eine neue Veranstaltungsreihe kreiert. Ihr Startschuss fiel am 24. April 1990 im Café am Rathaus mit dem Thema: „...noch weniger arbeiten?“ Zu Gast war der IG-Metall-Vorsitzende Dieter Knauß. Mit Zustimmung des Ortsvereins formierte sich unterdessen in Auenwald ein Ortsverein, der vor gut drei Jahren wieder unters Weissacher-Tal-Dach zurückgekehrt ist.

„Wer in der SPD mitmachen will, braucht Mut“

Mit Blick auf die kommenden Zeiten berichtet Hestler, dass es bei einer virtuellen Versammlung im vergangenen Jahr gelungen sei, einige jüngere Leute für die Mitarbeit im Vorstand zu gewinnen. „Wer in der SPD mitmachen will, braucht Mut“, formuliert Werner. Er zeigt sich aber zugleich auch optimistisch für die Zukunft: Jetzt kämen wieder Themen auf die Tagesordnung, bei denen man Solidarität brauche – und Mut für Entscheidungen. Es sei nicht gelungen, die mittlere Generation anzubinden, beklagt Frey, der von einem Generationenbruch spricht und jetzt auf die ganz junge Generation setzt. „Wir 68er waren vielleicht überaktiv“, merkt Hestler selbstkritisch an. Aber nicht nur das. „Ganze Jahrgänge hatten es nicht nötig, sich einzubringen“, sagt Werner – es habe „ein Mehltau über dem Land“ gelegen. Inzwischen aber spüre man Grenzen und es finde ein Umdenken statt.

 
Vom Roten Stuhl bis zur 50-Jahr-Feier

Roter Stuhl

44-mal kamen Repräsentanten aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Gesellschaft zu diesem Format ins Weissacher Tal. Unter den prominenten Gästen war beispielsweise 2017 Olaf Scholz, 2020 die damalige Justizministerin Christine Lambrecht oder 2021 Arbeitsminister Hubertus Heil, aber auch 2008 der Gründer der dm-Drogeriemarktkette Götz W. Werner. Über 600 Besucher interessierten sich 2006 im Bize für die Veranstaltung mit dem Hirnforscher Manfred Spitzer, 500 Leute kamen, als 1996 Rudolf Scharping, der Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion, zu Gast war. Einmal gab es aber auch eine Panne: Das Bürgerhaus in Unterweissach war brechend voll, alle warteten auf Walter Momper, den Regierenden Bürgermeister von Berlin bei der Wiedervereinigung, doch der hatte statt Weissach im Tal das andere Weissach im Kreis Böblingen angesteuert.

Tälesblick

Von 1988 bis 2009 gab es den „Tälesblick“ als Organ des Ortsvereins, Nachfolger des früheren Kommunalen Blatts. Insgesamt 28-mal ist diese Mischung aus Information und Provokation, Unterhaltung und Ratgeber erschienen. Das Heft, das anfangs noch in mühsamer Handarbeit hergestellt werden musste, wurde an alle Haushalte verteilt.

Aktionen

An kreativen Aktionen herrschte kein Mangel: Mit einer Bodenzeitung wurden provozierende Thesen aufgestellt, die Passanten konnten Striche aufzeichnen und so kundtun, was sie davon hielten. Auch mit Straßeninterviews gingen die Sozialdemokraten auf die Menschen zu, die Aufnahmen wurden beim Roten Stuhl zur Einführung ins Thema eingespielt. „Die Demokratie lebt von Aktionen, wir haben oft provoziert“, so Werner.

PoliTische

Jüngstes Format sind die Politische, bei denen in der Alten Schmiede erst kräftig politisiert und dann miteinander ein Bier getrunken werden kann – eine Kultur des Streitens, die, wie Hestler meint, verloren zu gehen droht in einer Zeit, in der das Leben zunehmend in die sozialen Medien abwandert.

Jubiläum

Die 50-Jahr-Feier findet heute um 19.30 Uhr in der Alten Schmiede (Tälesbräu) in Unterweissach statt. Es gibt einen Rückblick in Bildern unter dem Motto „Der Kanzler war auch schon da“. Unter dem Titel „Der Juso und die Alt-68er“ folgt dann ein Generationengespräch zwischen Luca Schneider und den Altvorderen der Täles-SPD.

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