Olaf Scholz auf dem Roten Stuhl

von Jürgen Hestler

aus: Backnanger Kreiszeitung v. 26.7.2017

Ja zum Gipfel, nein zum Extremismus

Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz nimmt auf dem „Roten Stuhl“ in Unterweissach Stellung zu den G-20-Krawallen

Drei Wochen früher wäre es ein ganz normaler Auftritt eines Politikers in Wahlkampfzeiten gewesen, doch durch den G-20-Gipfel hat der Besuch von Olaf Scholz (SPD) in Unterweissach eine besondere Aktualität bekommen. Auf dem „Roten Stuhl“ verteidigte Hamburgs Erster Bürgermeister trotz der schweren Krawalle die Entscheidung, das Gipfeltreffen in der Hansestadt auszurichten.

Von Kornelius Fritz

WEISSACH IM TAL. Ob Rudolf Scharping, Franz Müntefering oder Sigmar Gabriel – auf dem Roten Stuhl des SPD-Ortsvereins Weissacher Tal haben in den vergangenen 27 Jahren schon etliche Spitzenpolitiker Platz genommen, aber auch bekannte Professoren und Unternehmer waren da. Dass sie alle ins Weissacher Tal kommen, ist den guten Kontakten von Jürgen Hestler zu verdanken, der den Ortsverein und auch die Kreis-SPD leitet. Diesmal hatte der Organisator auch noch ein glückliches Händchen mit dem Timing: Der Termin mit Olaf Scholz stand schon seit Monaten fest, bekam durch den G-20-Gipfel aber eine besondere Aktualität. Entsprechend groß war das Interesse: Obwohl die Veranstaltung am Montag schon um 17 Uhr begann, war das Unterweissacher Bürgerhaus mit knapp 150 Besuchern proppenvoll.

Die schweren Krawalle durch linksautonome Randalierer in Hamburg waren dann auch das bestimmende Thema der Veranstaltung. Sollten solche Gipfel angesichts der negativen Begleiterscheinungen überhaupt noch stattfinden? Unbedingt, findet Olaf Scholz: „Gerade in Zeiten von Trump, Putin und Erdogan brauchen wir solche Treffen.“ Denn nur in persönlichen Gesprächen habe man eine Chance, diese zu erreichen. „Es ist wichtig, dass Trump merkt: Es geht nicht nur nach mir, da gibt es auch noch andere.“ Und Scholz findet es auch nach wie vor richtig, dass das Treffen in Hamburg stattfand. Zum einen aus rein praktischen Gründen: Eine Veranstaltung mit 6000 Teilnehmern, 5000 Journalisten und mehr als 20000 Polizisten sei nur in einer Großstadt möglich. Aber auch als Zeichen an die Krawallmacher: „Wir sollten uns nicht von denen bestimmen lassen, was wir machen können und was nicht“, sagte Scholz. Und es könne auch nicht die Lösung sein, den Gipfel künftig nur noch in Ländern stattfinden zu lassen, die autokratisch regiert werden.

Dass die Lage in einigen Stadtvierteln so aus dem Ruder laufen konnte, hat auch den Ersten Bürgermeister schockiert. „Wir haben die Verantwortung dafür, dass die Innere Sicherheit funktioniert“, sagte Scholz. Es sei in Hamburg zwar nicht alles schief gelaufen, in einigen Bereichen sei es aber nicht gelungen, schnell genug auf die „sehr organisierte Gewalt“ zu reagieren.

„Die Leute müssen wissen, dass sie nicht ungeschoren davonkommen.“

„Was würden Sie heute anders machen?“, wollte ein Zuhörer von Olaf Scholz wissen, doch ein einfaches Rezept hat der Hamburger Bürgermeister auch heute nicht parat: „Wir hatten ja die ganze Polizei versammelt und auch das gesammelte Wissen. Eigentlich war alles vorhanden, was wir brauchten.“ Ob Fehler gemacht wurden und wenn ja welche, müsse man sorgfältig analysieren: „Wir dürfen das nicht einfach abheften.“

In einem anderen Punkt weiß Olaf Scholz dafür sehr genau, was zu tun ist: „Wir brauchen eine klare Distanzierung von gewalttätigem Extremismus.“ Es dürfe nicht sein, dass linke Kreise den Chaoten mit Verständnis oder Nachsicht begegnen. Gleichzeitig müsse man die Täter hart bestrafen. Dass zurzeit 51 Randalierer von Hamburg in Untersuchungshaft sitzen und gegen viele weitere Strafverfahren laufen, sieht Olaf Scholz deshalb als wichtiges Signal: „Die Leute müssen wissen, dass sie nicht ungeschoren davonkommen.“

Die Innere Sicherheit dürfte auch im bevorstehenden Bundestagswahlkampf ein zentrales Thema sein. „Wir stellen fest, dass auch hier auf dem Land die Angst wächst“, hatte der Weissacher Bürgermeister Ian Schölzel eingangs beim „Thekengespräch“ mit Jürgen Hestler berichtet. Ein Grund ist die Zuwanderung: In Hamburg, das fast 50000 Flüchtlinge aufgenommen hat, funktioniert das Zusammenleben laut Scholz fast überall gut, aber man dürfe von den Zuwanderern erwarten, dass sie Gesetze und Wertvorstellungen ihres Gastlandes beachten. „Wenn jemand die Regeln nicht einhält, dann ist unser Rechtsstaat gefragt.“ Die Aufnahme von Flüchtlingen sei „eine europäische Verpflichtung“, erklärte Scholz, der auch stellvertretender Bundesvorsitzender seiner Partei ist. Es könne nicht sein, dass Länder wie Polen oder Ungarn keine Flüchtlinge aufnehmen, aber auch Deutschland dürfe sich nicht aus der Verantwortung stehlen, wenn die Flüchtlinge nach der Schließung der Balkanroute nun wieder verstärkt in Italien ankommen.

Für die Bundestagswahl sieht Olaf Scholz trotz aktueller Umfragewerte von 23 Prozent für seine Partei nicht schwarz: „Dass die SPD besser abschneiden kann, hat sie Anfang des Jahres gezeigt.“ Nach der Kür von Martin Schulz zum Kanzlerkandidaten schoss die Partei kurzzeitig um zehn Prozentpunkte nach oben, um wenig später ebenso schnell wieder abzustürzen. Für Scholz ist das Zwischenhoch trotzdem ein Mutmacher: „Es hat uns allen gezeigt, dass es geht.“

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