Ein Ständedenken ist fehl am Platz

von Jürgen Hestler

Von Peter Wark

WEISSACH IM TAL. Eine „Schulklasse“, bestehend aus Schulleitern, Gewerkschaftern und zwei Schülern mühten sich zu Beginn der von SPD-Kreischef Jürgen Hestler moderierten Veranstaltung um Definitionen, was denn eine „coole“ Schule ausmache.

Dann ging es in die Vollen und vor allem der Vorsitzende des Philologenverbandes im Land, Bernd Saur, hielt sich nicht lange mit Freundlichkeiten auf. Saur, nicht gerade der engste Freund des Kultusministers, räumte allerdings auch ein, dass ihn die neuen Bildungspläne „nach dem Machtwort des Ministerpräsidenten“ in jetzt vorliegender Form deutlich milder stimmen als noch vor einem Jahr. „Die Schärfe ist raus aus dem Thema“, konstatierte später auch der Minister. Apropos Bildungsplan: Das Thema war nur eines unter vielen, die Pädagogen umtreiben – und das Publikum beim 39. Roten Stuhl bestand fast ausschließlich aus Lehrkräften. Je nach Schulart ist die Gewichtung der einzelnen Themen und Fragestellungen natürlich völlig unterschiedlich, wie schnell deutlich wurde.

So fragte beispielsweise Realschulleiter Jürgen Wörner, wo seine Schulart überhaupt Lehrkräfte für den neu einzuführenden Französischunterricht ab der sechsten Klasse finden solle. Auch Wörner scheint heute gelassener mit der neuen Bildungspolitik umzugehen als vor einigen Jahren. Mit dem Wechsel der Landesregierung 2011 seien die Realschulen Gefahr gelaufen, völlig unterzugehen. Der Landespolitik attestierte Wörner inzwischen „eine Rolle rückwärts“, die Realschulen schauten jetzt wieder zuversichtlicher in die Zukunft. „Wir fühlen uns wieder cool“, sagte er in Anlehnung an das Thema des Abends.

Es ging an diesem Abend quer durch viele Fragen der Bildungspolitik. Etwa um den Wert, der einzelnen Schularten beigemessen wird, um die Gemeinschaftsschule ganz grundsätzlich, das Thema gleiche Bezahlung für gleiche Arbeit, Klassenteiler, Inklusion, die Zukunft der Bildungshäuser, und um die Frage nach G8 oder G9, also acht- oder neunjährigem Abitur.

Kritisch steht unter anderem die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) dem umstrittenen neuen Fach „Wirtschaft“ an den allgemeinbildenden Schulen gegenüber, auf das die Industrie gedrängt hatte. „Uns steht zu sehr das freie Unternehmertum im Mittelpunkt“, beklagte Personalrat Roland Teophil von der GEW. Themenbereiche wie das Sozialsystem oder Gewerkschaften kämen nur spät und nur am Rande vor.

Wie gesagt: Eine große Bandbreite an Themen und Sorgen treiben die Lehrkräfte an den unterschiedlichen Schularten um. Alles Einzelpunkte, so Andreas Stoch, die man in den großen Bildungskontext stellen müsse. Die Zukunft werde auf ein zweigliederiges Schulsystem hinauslaufen, prognostizierte Stoch und untermauerte das mit den Anmeldezahlen an den Schulen (in denen die Entwicklung durch den Flüchtlingszustrom bisher noch nicht absehbar sind). Die Anmeldezahlen bei Haupt- und Werkrealschulen seinen auf jeden Fall „dramatisch rückläufig“. Stoch sprach von der Gefahr, dass das Gymnasium übermächtig werde und alles andere nur noch den Charakter der „Resteschule“ habe. Akademisierung hier, Bedeutungsverlust da – das könne es nicht sein. Das Schulsystem müsse stabil bleiben, ein Ständedenken sei vollkommen fehl am Platz.

Das griff unter anderem Renate Flik auf. Die Lehrerin an der Bize-Realschule bemängelte zum Ende der Veranstaltung, der Abend sei wie fast jede bildungspolitische Diskussion „sehr gymnasiumslastig“.

Stoch betonte, dass es Ziel seiner Bildungspolitik sei, die Durchlässigkeit zwischen den einzelnen Schularten zu fördern. Es ärgere ihn, sagte der SPD-Mann zur Diskussion um die Gesamtschule, wenn der politische Gegner der Landesregierung immer wieder plakativ vorwerfe, die „Einheitsschule“ zu fördern. Die Gemeinschaftsschule sei das totale Gegenteil dessen. Hier könnten Schüler individuell nach ihren Stärken und Vorlieben gefördert werden.

Ähnlich hatte sich in der Auftaktrunde schon Gemeinschaftsschule-Rektor Ralf Bachmeier geäußert. Die Begabung der Schüler erlebe hier gezielte Förderung, die sich auch in den regelmäßigen Coaching-Gesprächen mit den Kindern und Jugendlichen niederschlage.

Ein Dauerbrenner am Bildungszentrum Weissacher Tal ist seit Jahren der Wunsch, ein Sportprofil einzurichten. Auch den neuen Gesamtschulleiter Christoph Mohr beschäftigt das Thema schon. Der neueste Vorstoß in diese Richtung erfolgt in Kooperation des Gymnasiums mit der Gesamtschule. Die Antwort des Ministers blieb diplomatisch. Er hoffe, nicht allzu viele Hoffnungen geschürt oder enttäuscht zu haben

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