Bei bis zu 13 000 Fahrzeugen am Tag verliert man Lebensqualität und Kaufkraft

von Jürgen Hestler

Dorfgespräch der SPD Weissacher Tal zum Thema shared space mit dem Rudersberger Bürgermeister Martin Kaufmann

"Wenn man Autofahrer ständig anleitet und behandelt wie Idioten, benehmen sie sich irgendwann auch wie Idioten", sagte sich der niederländische Verkehrsplaner Monderman und entwickelte eine alternative Verkehrsphilosophie, die seither unter dem Begriff shared space (zu deutsch: Gemeinschaftsraum) durch die Verkehrsdiskussion geistert. Sein Credo: " Der Raum muss den Leuten sagen, wie sie sich verhalten sollen". Dementsprechend stellt er sich Ortsdurchfahrten vor, die zu Begegnungsräumen gleichberechtigter Partner werden mit nur noch zwei Vorgaben: Rechtsfahrgebot und Rechts-vor-Links-Regel.

Der Rudersberger Bürgermeister Martin Kaufmann hält diesen Ansatz "zumindestens als Grundidee für bedenkenswert". Er ist gleichzeitig Sprecher einer landesweiten interkommunalen Initiative, die nach Konzepten sucht, wie man innerörtliche Verkehrsräume für die Menschen lebenswerter machen kann.

Grund genug für den SPD-Ortsverein Weissacher Tal, den "Nachbarbürgermeister" zu einem weiteren "Dorfgespräch" ins Vereinsheim der Berg- und Wanderfreunde Allmersbach themengerecht direkt an der Durchgangsstrasse einzuladen.

"Denn", so der SPD-Vorsitzende Jürgen Hestler, "die Verkehrssituation in Allmersbach im Tal und mit Abstrichen auch in Weissach im Tal ist nicht sehr viel anders als in Rudersberg". Alle Gemeinden leiden unter einem starken Durchgangsverkehr, in Rudersberg sind das bis zu 13 000 Fahrzeuge am Tag.

"Unsere Gemeinde verliert dadurch an Kaufkraft und Lebensqualität", so der Rudersberger Bürgermeister. Sein Allmersbacher Amtskollege Ralf Wörner pflichtete ihm bei: "Die Verkehrsbelastung entlang der Durchgangsstrasse in Allmersbach hat das erträgliche Maß überschritten".

Rudersberg hat nun ein Konzept entwickeln lassen, dass im Ortszentrum entlang der Landesstrasse Begegnungszonen schaffen wird, in denen alle Verkehrsteilnehmer gleichberechtigt sind. "Wir bauen den Ortskern so um, dass alle Verkehrsteilnehmer gezwungen werden, rücksichtsvoll, vorsichtig und im ständigen Blickkontakt mit anderen durch Rudersberg zu fahren", so Martin Kaufmann (SPD).

Er sieht aber auch die Schwachstellen des Konzepts. Diese sollen mit den Bürgern in der nächsten Woche öffentlich diskutiert werden. Dazu gehören – und dies wurde in der engagiert geführten Diskussion immer wieder angemahnt- die Verkehrssicherheit für schwächere Verkehrsteilnehmer ("Was ist, wenn das erste Kind angefahren wird?"), die Parkraumsituation ("Parkende Autos behindern die Sicht!") und das Verkehrsverhalten uneinsichtiger Verkehrsrowdys.

Für den SPD-Vorsitzenden Jürgen Hestler sind das ernst zunehmende Einwände. Er setzt aber auf die Einsichtigkeit und Lernfähigkeit der Verkehrsteilnehmer: "Vor der Kreisel-Epidemie haben auch viele das Verkehrschaos heraufbeschworen. Und passiert ist nichts. Außer dass der Verkehrsfluss und die Verkehrssicherheit größer geworden sind". Seine Forderung: "Wir müssen Ortsdurchfahrten mit hohem Verkehrsfluss zu überdimensionierten, ansprechend gestalteten und mit Europamittel kofinanzierten Zebrastreifen machen".

Der SPD-Kreisvorsitzende setzt zusammen mit Martin Kaufmann darauf, dass sich die Rudersberger Überlegungen "epidemisch entlang verkehrsreicher Durchgangsstraßen ausbreiten". "Wenn man Verkehr immer wieder mit Begegnungs- und Rücksichtszonen herunterbremst, ändert sich vielleicht das Verkehrsverhalten der Menschen", so die beiden Kreisräte.

Der Allmersbacher Bürgermeister Ralf Wörner will die Erfahrungen in Rudersberg abwarten und dann entscheiden. Die SPD Weissacher Tal hat sich vorgenommen, die Rudersberger Initiative in weiteren "Dorfgesprächen" kritische zu begleiten.

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